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Begrüßung im Nucleo Alto Moche

Begrüßung im Nucleo Alto Moche mit dem Orchester de Miramare

So, hier die erste Meldung! Nach der monatelangen, bürokratischen Vorbereitung und einer ziemlich unplanmäßigen Reise bin ich endlich in Trujillo angekommen. Ich werde Euch hier nicht mit Details über Formulare, Flughafenschalter, Zollbestimmungen und Rückenschmerzen nerven, also komme ich gleich zum interessanten Teil:

Mein durch Unterrichtsvorbereitung verwüstetes Zimmer

Mein durch Unterrichtsvorbereitung verwüstetes Zimmer

Am Montag, dem 15. 09. bin ich aus dem Flugzeug in den ersten (echten) trujillanischen Regen seit 1997 gestolpert und wurde von einem sehr fröhlichen Taxifahrer (den ich leider nicht besonders gut verstanden habe…) durch die dunklen Straßen bis zur Akademie von Arpegio gefahren, wo mich die anderen 8 Freiwilligen mit einer eher experimentellen Version von Nudeln mit Tomatensoße und zahlreichen Vorwürfen in Empfang genommen haben. Zur Erklärung: Für die Arpegios war ich 1 ½ Tage verschollen, was zum einen die Schuld von LAN-Airlines und zum anderen meine Schuld war. Zu meinem abendlichen, verregneten ersten Eindruck der Stadt kann ich gar nicht besonders viel sagen, ich habe jedenfalls mit großen Augen jeden Stein und jedes Pflänzchen beguckt, schließlich wurde ich nach den 3  Flughafentagen endlich wieder Zeuge der realen Welt und war immer noch ziemlich überrascht, tatsächlich da zu sein. In der “Academia” ist in der obersten Etage die Freiwilligen-WG, durch die habe ich sofort eine Führung bekommen. Bis auf Küche, Bad und Flur haben wir eine gemütliche Dachterrasse (dort kann man ziemlich toll in der Sonne frühstücken) und 3 Zimmer. Ein Stockwerk tiefer gibt es noch ein viertes Zimmer, eigentlich das schönste, aber da ist der Weg zur Dusche ganz schön weit… Ich wohne jetzt im Einzelzimmer, weil ich als Letzte gekommen bin und bei der Zimmeraufteilung anscheinend alle Angst hatten irgendetwas Weltbewegendes zu verpassen, wenn sie ins Einzelzimmer ziehen, aber bei den Wänden und der Wohnungsgröße ist das schlichtweg unmöglich und inzwischen werden die anderen langsam neidisch auf mein ganz eigenes Zimmer.

Begrüßungskonzert des Orchesta de Esperanza, dirigiert von Paulinho

Begrüßungskonzert des Orchesta de Esperanza mit Paulinho

Die “Arpegios” hatten für uns so eine Art Einführungswoche geplant, die mir sehr geholfen hat, hier anzukommen. Wir waren jeden Tag unterwegs und haben alle Nucleos und Orchester angeschaut, angehört und kennengelernt. Nucleos heißen die Außenstellen Arpegios, die sich vor allem in Stadtvierteln befinden, die ein ganzes Stück vom Zentrum entfernt sind und in der Regel zu den “ärmeren” Vierteln gehören. Zuerst waren wir in Madre de Christo, dort gibt es einen Kinderchor, der aus einer Klasse der Schule besteht. Einmal pro Woche wird da mit 2 Freiwilligen gesungen. Für uns haben die Kinder auch 2 Liedchen gesungen und uns dann seeeehr viele, seeeehr süße Bonbons geschenkt und dabei waren sie natürlich seeeehr niedlich.

Blick über Esperanza

Blick über Esperanza

Alto Moche, Esperanza und Porvenir kann man ganz gut zusammenfassen, dort gibt es jeweils ein Streichorchester und die Kinder werden hauptsächlich in Gruppen unterrichtet. Auch da gab es für uns schöne Lieder zu hören, Bonbons, Inka-Cola (das ist sicher Geschmackssache, aber Inka-Cola gehört in jedem Fall zu den 10 ekelhaftesten Getränken, die ich je gekostet habe, sie ist gelb, riecht auf 3 Meter nach Kaugummi-Eis und der Geschmack ist einfach unbeschreiblich) und nebenbei gab es natürlich jedes Mal wieder eine Vorstellungsrunde, Stille Post, Lieder und in Esperanza sogar ein bisschen Fußball (Chicos gegen Chicas, eine ziemlich dumme Idee, wir haben 5:0 verloren). Mein Satz der Woche war demnach aber “Soy Pauline, tengo 19 anos y toco violin.” und jedes Mal wenn einer von uns den Zaubersatz gebracht hat gingen Jubelrufe und Applaus los und irgendein Kind fing an ganz aufgeregt rumzuhüpfen “Yo tambien!!! Toco el violiiin!!!” Das letzte und neueste Nucleo heißt El Golf. Es ist eine Außenstelle in der Montessori-Schule einer Gated Community. Dort leben eher bürgerliche Familien und damit fällt es als Nucleo ziemlich aus der Reihe. Die gesamte Schule war ebenfalls im Gegensatz zu den anderen Nucleos ziemlich westlich. Sowohl optisch als auch athmosphärisch, während die Begrüßung dort genauso abgelaufen ist.

Wir wir Freiwilligen dem Begrüßungskonzert des Orchesta de Tierra lauschen

Wir wir Freiwilligen dem Begrüßungskonzert des Orchesta de Tierra lauschen

Dachterrasse der WG

Dachterrasse der WG

In der Academia wurden wir auf ähnliche Weise den drei Orchestern vorgestellt. Das größte Orchester ist das Orchesta de Barro (Orchester des Lehms oder Lehmorchester, auf Deutsch klingt das irgendwie nicht gut…), die Vorstellung habe ich leider verpasst, weil die Montag Abend war, als ich noch in Lima am Flughafen war. Dieses Orchester wird von Paulinho geleitet, der als einer der allerersten Arpegio-Schüler im Blockflötenorchester in Porvenir angefangen hat. In dem Orchester spielen wir nur unterstützend mit und leiten Registerproben an, während wir die anderen beiden Orchester und die Nucleo-Orchester jetzt von uns geleitet werden. Das Orchesta de Barro probt dreimal pro Woche und vor Konzerten auch am Wochenende, es ist sozusagen Mittelpunkt und Ursprung des gesamten Projektes (ganz am Anfang war es das oben genannte Blockflötenorchester Porvenirs, inzwischen ist es ein sinfonisches Jugendorchester, das vor einigen Jahren sogar eine Reise zum Partnerorchester der Droste-Hülshoff-Schule in Berlin gemacht hat). Das mittlere Orchester heißt Orchesta de Tierra (Orchester der Erde), das ist ziemlich lustig, weil dort im Gegensatz zum Orchesta de Barro nicht nur Jugendliche spielen sondern auch Kinder und das sieht schon cool aus, wenn ein 11-jähriger neben einem 19-jährigen am Pult sitzt. Das wird jetzt von 2 Freiwilligen geleitet. Das kleinste Orchester ist das Orchesta de Agua (Orchester des Wassers), dort spielen vor allem Anfänger und sehr, sehr kleine Kinder. Wenn dieses Orchester probt, also jeden Donnerstag, ist im ganzen Haus Bambule, weil all die aufgedrehten Kinder vorher und nachher noch Unterricht haben und mit dem Orchesta de Tierra zusammen die Academia von um 3 bis um 6 komplett besetzen. Diese Probe wird von Tatjana (aus der pädagogischen Leitung und Organisation, war die allererste Freiwillige im Projekt) geleitet und muss von mindestens 3 Freiwilligen begleitet werden, damit alle Instrumente gestimmt werden, alle Kinder mitbekommen wann das Lied losgeht und möglichst keine von den winzigen Geigen zu Bruch geht. Den Kindern macht dieses Theater unglaublich Spaß, ich für meinen Teil freue mich aber auch über die wohltuende Stille, wenn es vorbei ist. Wir haben grade einen Donnerstag hinter uns, vielleicht merkt man das an dieser Stelle ein bisschen…

Combi mit dem genannten Zielortverkünder

Bus (wir fahren meistens Combi, das ist genauso nur kleiner) mit dem genannten Zielortverkünder

Ansonsten haben wir in der ersten Woche einige kleinere Abenteuer erlebt, zum Beispiel immer wieder das Taxi-, Bus- und Combi-Fahren. Ich habe die ganze Woche gebraucht, um mich vom Flug zu erholen und meinen Körper an den Ortswechsel zu gewöhnen. Mit den meisten meiner Leiden war ich auch nicht alleine. Angefangen von Kopf- und Rückenschmerzen über Müdigkeit bis zur Magenumstellung hatte ich meistens genug zu jammern (fragt Uli). Obwohl man auch sagen könnte, dass uns die nächtlichen Begegnungen im Bad einander sicher näher gebracht haben… Jedenfalls wurden die vom Flug verursachten Beschwerden bei dem Verkehr hier nur schwerlich besser. Es ist hier nämlich kein Problem ein Taxi mit bis zu 8 Personen zu befüllen, meine extremste Erfahrung damit war bisher eine Fahrt nach El Golf, da habe ich in einer Art Quer-Hock-Hänge-Stellung im Taxi gesessen oder gehockt oder gelegen oder gehangen, wie mans nimmt. Alle 20 Meter gibt es hier solche Geschwindigkeitsbegrenzungshuckel, bei denen die Größeren von uns jedes Mal eine Delle ins Taxidach schlagen und bei denen ich ganz schön durch die Luft geflogen bin. Im El Golf angekommen, waren mir beide Beine eingeschlafen und den Weg von der Straße bis zum Begrüßungskonzert bin ich eher gewackelt als gelaufen. Dafür hat mich diese Fahrt auch nur ungefähr 40 Cent gekostet. Das Busfahren war anfangs ähnlich beschwerlich, die Busse haben hier nämlich keine Stationen, sondern fahren eine bestimmte Strecke ab und man muss eben wissen, welchem Bus man zuwinken muss und wann man den Bus auf welche Art zum Stehenbleiben bewegen kann um dorthin zu kommen, wo man tatsächlich hin will. In der Tür vom Bus steht immer so ein Typ, der der Straße laut brüllend den Zielort verkündet, die Fahrtkosten eintreibt und beim Aussteigen ganz schön Stress macht, damit der Bus schnell weiter fahren kann.

Mendelssohn-Oktett bei der Noche de Arpegios

Mendelssohn-Oktett bei der Noche de Arpegios

In der freien Zeit, die uns zwischen dem Unterrichten bleibt machen wir viel Kammermusik und versuchen unsere eingerosteten Stimmen zum Singen zu bewegen. Und dann probieren wir uns natürlich durch die kulinarischen Spezialitäten Perus, die geprägt sind von Reis, Mais, Kartoffeln unterschiedlichster Art, Huhn, Fisch und natürlich unglaublich viel verschiedenem Obst. Auf der Straße verkaufen die Leute tagsüber an jeder Ecke karamellisierte Erdnussvariationen, Wassereis (Maracuja ist das Beste hier! Uli stimmt für Kokos…) und noch viele andere Leckereien. Außerdem haben wir (fast alle) angefangen dreimal pro Woche zum Salsa zu gehen. Witzig ist das in jedem Fall aber ganz (fremd-) schamfrei traut man sich da nicht zu sein und ich bin echt gespannt wie wir uns außerhalb der geschützten Tanzschulathmosphäre schlagen…

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Grüße aus Peru!!

Seit der zweiten Woche unterrichten wir schon ganz planmäßig und das kann man wörtlich nehmen, denn jeder hat hier seinen mehr oder weniger festen Stundenplan und meiner ist auch ganz gut gefüllt. Über das Unterrichten werde ich später mal mehr schreiben, es macht jeden Falls genauso viel Spaß wie es anstrengend ist und meine Laune ist dementsprechend erschöpft-fröhlicher Natur. Da von Tag zu Tag alles einfacher wird (vom Unterrichten übers Einkaufen und Busfahren bis zum Spanisch) bin ich auch der Zukunft gegenüber sehr positiv eingestellt und freue mich sehr auf die nächste Zeit. Ich hoffe, ich schaffe es bald, mir mal mehr von Trujillo und Umgebung anzuschauen, davon möchte ich Euch in jedem Fall berichten!

Bis dahin wünsche ich Euch eine schöne Herbstzeit im kalten Deutschland, seid gegrüßt und scheut Euch nicht, mir Eure Fragen und Gedanken per Kommentar, Mail, Skype oder Brieftaube mitzuteilen! Ich freue mich sehr darauf, von Euch zu hören!

4 Comments

  1. Hallo Pauline, hier ist Anna (Geige spielen bei Lutz) und ich bin freudig überrascht, an deinem blog teilhaben zu können. Danke! Que tengas un buen día (en unas horas…)

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